Geld verdienen mit Nachhilfe – gründe ich eine Nachhilfeschule?

Marktlage

Nachhilfe ist schnell gegeben. Ein Schulkind, ein Tisch, zwei Stühle und die Lehrbücher mit Lösungsheften – fertig ist die Nachhilfeschule. Inserate in kommunalen Mitteilungsblättern und kostenlosen Zeitungen sind günstig zu schalten, zudem stellt sich nach dem ersten Kunden durch Mundpropaganda und Empfehlungen innerhalb von Familien und Schulklassen schnell Erfolg ein. Einer Statistik der Bertelsmann-Stiftung zufolge wurden bereits 2007 in Baden-Württemberg pro Schüler 130 bis 204 € für Nachhilfe ausgegeben. Laut der Autoren der Studie erhält jeder fünfte bis jeder sechste Schüler Nachhilfe, genaue Zahlen existieren nicht. Beliebteste Fächer für Nachhilfe sind Mathematik, Deutsch und Englisch, seltener Latein, Spanisch, Französisch, Betriebswirtschaft und Naturwissenschaften. Damit ergab sich schon vor 10 Jahren ein Jahresumsatz pro Nachhilfeempfänger von 800-1200 €, ein Wert der heute etwa 1800 € entspricht. Bei 90 Minuten je Woche wäre das bei 40 Wochen im Jahr 15 € je Unterrichtsstunde von 45 Minuten. In den Jahren seit der letzten Studie von 2007 wird eher noch mehr Nachhilfe verlangt. In alten Zeiten sorgten sich die Eltern um die gute Verheiratung der Kinder, heute um den exzellenten Schulabschluss.

Bezahlung freiberuflicher Lehrkräfte

Große Nachhilfeschulen geben Nachhilfe in Gruppen, kleinere setzen mehr auf Einzelunterricht. Manche Nachhilfelehrer besuchen ihre Zöglinge auch zu Hause. Es ist

freiberufliche_Lehrer im Vergleich zu festangestellten Lehrern
freiberufliche_Lehrer im Verlgleich zu festangestellten Lehrern
schwierig, mehr als 15 € Honorar je Nachhilfestunde durchzusetzen. Deshalb haben Lehrer mit Einzelunterricht Probleme, eine angemessene Bezahlung zu erreichen. Freiberufliche Lehrer ohne Werbeaufwand und eigene Räumlichkeiten benötigen 30 € Honorar je Stunde, um bei 27 Wochenstunden ein Monatseinkommen von brutto 2200 € zu erzielen, wie nebenstehende Grafik anzeigt. Bei weniger als 20 € je Honorar Stunde kann es zu Problemen mit dem Mindestlohn kommen, da nach Abzug von Krankenkasse und Rente zu wenig übrig bleibt. Wird die Nachhilfe staatlich bezuschußt, erhalten ausgebildete Lehrer in Baden-Württemberg zur Zeit 27,32 € je Unterrichtsstunde.

Das teure Problem mit den Absagen

Ein großes Problem für viele Nachhilfelehrer sind die kurzfristigen Absagen von Kursterminen, insbesondere bei Einzelkursen. Der Nachhilfelehrer kann dadurch nicht die optimale Stundenzahl erzielen. Manchmalgelingt es kurzfristig abgesagte Stunden zu berechnen, jedoch nicht immer. Das Absage-Problem ist bei Nachhilfe stärker als etwa bei Musikschulen oder Physiotherapeuten, da Nachhilfeschüler hoch belastet und manchmal die Eltern mehr motiviert sind als der Kursteilnehmer selbst.

Die drohende Umsatzsteuer auf Nachhilfe

Die bisherigen Berechnungen sind ohne Umsatzsteuer. Wird diese fällig, müssten die Honorare um 15-19% steigen, je nach Vorsteuerbelastung. Unterrichtsleistungen sind grundsätzlich umsatzsteuerbefreit, wenn sie auf einen staatlich anerkannten Abschluss vorbereiten. Jedoch können sich Schulen auf Antrag beim und vom Regierungspräsidium (in Baden-Württemberg) befreien lassen. Die Honorar-Lehrkräfte sind dann auch befreit. Einzelne Lehrer können sich nicht befreien lassen. Ihnen bleibt nur, unter der Kleinunternehmergrenze von 17.000 € im Jahr nicht zu überschreiten. Da viele Nachhilfelehrer in Teilzeit arbeiten, ist das überwiegend kein Problem.

Wie komme ich an Kunden

Werbung

Bei den mir bekannten Nachhilfeschulen kommt etwa 2/3 der Teilnehmer über Empfehlungen, 1/3 über Werbung. Beliebte Werbeträger sind Kleinanzeigenblätter und lokale Zeitschriften. Gelegentlich wird auch zu Zetteln am schwarzen Brett gegriffen. Nur wenige benutzen bisher Facebook. Facebook ist als Werbeträger besonders dann geeignet, wenn eine Botschaft zielgerichtet an eine kleine Gruppe gerichtet wird – und man zahlt nur für die Klicks. Beratungen zu diesem Thema liefere ich gerne.

Alleinstellungsmerkmale und besondere Fertigkeiten

Mit besonderen Qualifikationen im Bereich Lese- und Rechtschreibförderung, Mathematik-Förderunterricht mit Zahlenverständnis und Fremdsprachenerwerb hat der Nachhilfeunternehmer zusätzliche Möglichkeiten, Vertrauen bei Interessenten aufzubauen und zu werben – und einen wirklichen Beitrag zur Verbesserung der Volksbildung zu leisten. Wie man mit Suchmaschinenoptimierung an Kunden kommt, finden Sie hier

Fortbildungen und pädagogische Unterstützung

Besonders in Mathematik und Sprachen hat sich in den letzten Jahren konzeptionell viel getan. Es geht darum, das wichtige Wissen an eine breitere Bevölkerungsschicht zu bringen und nicht auf eine kleine Minderheit zu beschränken – und Lernfortschritte zu beschleunigen. Es ist eine ständige Herausforderung, auf dem die Einzelförderung und Nachhilfe zu bleiben. Lehrerfortbildungen gibt es viele, für Nachhilfelehrer sind mir keine bekannt. Dennoch gibt es viele Möglichkeiten, auf die Nachhilfe aktuell zu halten.

Ohne Begeisterung und Motivation gehts nicht

Wie Begeisterung entsteht

Begeisterung ist der Zustand des von Freude und Erregung erfüllt seins, weil etwas sehr beeindruckend, gut, interessant gefunden wird. Begeisterung gibt es auch im Tierreich. Höhere Säugetiere können vor Freude und Erregung komplett außer sich sein, bei Dressuren und bei Arbeitstieren wird diese Begeisterung des Tieres mit in die Erziehung eingebaut. Vertrieblich oder im sozialen Umfeld tätige Menschen werden von der Begeisterung für ihre Produkte oder Aufgabe motiviert. Hochmotivierte und interessierte Trainer und Lehrer können ihre Inhalte viel besser weitergeben als die lustlosen Kollegen. Wichtig ist für diese Leute die Begeisterung für das Fachgebiet und für das Seminar.

Doch wie entsteht eigentlich Begeisterung? Wie macht man Begeisterung? Ein Erklärungsversuch für Produkte und Dienstleistungen ist das Kano-Modell.

Das Kano-Modell 1

Ein Produkt verfügt über

Erfolgreiches Seminar - die Teilnehmer lassen sich zusammen fotografieren
Erfolgreiches Seminar – die Teilnehmer lassen sich zusammen fotografieren

  1. Basis-Merkmale, die so grundlegend und selbstverständlich sind, dass sie den Kunden erst bei Nichterfüllung bewusst werden (implizite Erwartungen). Am Beispiel einer Nahrungsergänzung wären das die Gewißheit, etwas für die Gesundheit zu tun.
  2. Leistungs-Merkmale sind dem Kunden bewusst, sie beseitigen Unzufriedenheit oder schaffen Zufriedenheit abhängig vom Ausmaß der Erfüllung. Gemeint sind hier alle erwarteten Produktmerkmale, ein Auto soll verläßlich fahren, ein Medikament heilen, eine Nahrungsergänzung das Wohlbefinden verbessern. Gute Werbung und emotionale Aufladung des Produkts führen hier zu selbsterfüllenden Erwartungen. Ich fühle mich besser, weil ich das gesunde Produkt nehme, bevor die Produktchemie überhaupt wirken konnte.
  3. Begeisterungs-Merkmale sind dagegen Nutzen stiftende Merkmale, mit denen der Kunde nicht unbedingt rechnet. Sie zeichnen das Produkt gegenüber der Konkurrenz aus und rufen Begeisterung hervor. Eine kleine Leistungssteigerung kann zu einem überproportionalen Nutzen führen. Die Differenzierungen gegenüber der Konkurrenz können gering sein, der Nutzen aber enorm. Bei Autos oder Handys sind das die kleinen Dinge, die man in den ersten Tagen mit dem Gerät entdeckt, die netten Zugaben. Image und Werbung ist hier wichtig, um das Produkt mit dem passenden Lebensgefühl und Emotionen aufzuladen. Bei Nahrungsergänzung z. B. das Bewußtsein, etwas Besonderes für seinen Körper zu tun.. Die Bekannten und Verwandten sollen an dem Produkt teil haben, jeder soll sich erfreuen und zur Gemeinschaft der reichen
    Gesunden gehören. Wird die Nahrungsergänzung über eine Struktur vertrieben (Network Marketing), kommt noch die Aussicht auf hohe Gewinne über eine Fangemeinde und Kunden hinzu.
  4. Unerhebliche Merkmale sind sowohl bei Vorhandensein wie auch bei Fehlen ohne Belang für den Kunden. Sie können daher keine Zufriedenheit stiften, führen aber auch zu keiner Unzufriedenheit. Bei Nahrungsergänzung sind das beispielsweise der Geschmack. Es kann bei niedriger Preiselastizität auch der Preis sein.
  5. Rückweisungs-Merkmale: Führen bei Vorhandensein zu Unzufriedenheit, bei Fehlen jedoch nicht zu Zufriedenheit. Das sind Sachmängel, falsche Leistungsangaben, manchmal auch vom Käufer falsch verstandene Produktbeschreibungen. Könnte bei Nahrungsergänzung im Strukturvertrieb der hohe Preis sein und die Anstrengung, weitere Kunden werben. In der Apotheke kosten identische Vitaminpräparate meist nur 5-10% des Strukturvertriebspreises. Auch Nebenwirkungen fallen unter Rückweisungs-Merkmale.

Begeisterung und Motivation konkret

Begeisterung lässt sich nicht erzwingen. Menschen haben unterschiedliche Erfahrungen und Einstellungen. Diese persönliche Geschichte bestimmt ob Begeisterung entsteht oder auch nicht. Es ist die Arbeit des Produktentwicklers die Begeisterungsmerkmale zu integrieren.

Manche Leute begeistern sich in erster Linie für Geld. Wenn die Bezahlung in ihren Augen stimmt, machen diese sehr viel mit hohem Engagement. Bei Produkten wäre dies, dass ein niedriger Preis alleine schon Begeisterung auslösen kann – bei einigen Käufern zumindest.

Geld alleine motiviert und begeistert nur selten. Ich kenne Bildungsträger, die über Honoraranhebung für die Dozenten ohne begleitende Maßnahmen Qualität herstellen wollten. Die Dozenten nahmen das Geld gerne an, arbeiteten aber weiter wie vorher.

Fehlende Begeisterung führt zu fehlendem Engagement

Dies gilt für Verkäufer als auch für Vortragende, Trainer, Lehrer: sie sollten von Ihrem Produkt, ihrem Fach begeistert sein und hohes Interesse dafür aufbringen. Sie drücken dem Interessenten ansteckende Begeisterung aus. Dieser entwickelt selbst Interesse und kauft, sofern nicht andere Gründe dagegen stehen – Vergleiche z. B. Means-End-Chain

Manche Trainer können nur schlecht verbergen, dass sie ihre eigenen Themen langweilig finden – und die Kursteilnehmer sind sehr bald auch enttäuscht und gelangweilt. Ein begeisterter Trainer dagegen wird seine Zuhörer mitreißen und in die Welt des Seminarthemas entführen. Siehe auch hier
Begeisterung und Engagement am Job kann mit Umfragen wie dieser Beispielumfrage gemessen werden. Die verlinkte Umfrage misst vorhandene Begeisterung für die Arbeit. Möchte man an Produkten testen, womit Begeisterung erzeugt werden kann, hilft ein A-B Test mit
unterschiedlichen Produktvariationen. Conjoint-Analysen liefern hier auch gute Ergebnisse.

Kann Fachkenntnis Begeisterung ersetzen?

Angela Eder schreibt hier von der Überflüssigkeit von Begeisterung im Verkauf. Sie findet, Fachkenntnisse seien viel wichtiger.

Ich sehe hier keinen Widerspruch. Begeisterung für das Wissensgebiet und das Produkt sorgt für Fachkenntnis. Frau Eder macht Kaltakquise am Telefon. Diese erfordert sorgsames Vorgehen. Erfolge werden schnell sichtbar, wenn der Angerufene sich für die Leistung oder das Produkt interessiert. Frau Eder telefoniert gerne und weiß, wie man Erfolge am Telefon erzielt – ich sehe da Begeisterung.

——————————-

Interviewerbias vermeiden

Interviewerbias, also die Verzerrung von Umfrageergebnissen durch den Interviewer, ist ein Problem in der Marktforschung und bei Evaluationen und Bewertungen aller Art. In der Marktforschung werden durch professionelle Schulung der Interviewer und repräsentative Samples diese Einflüsse vermindert. Zudem hängt die berufliche Existenz der Marktforscher von guten Ergebnissen der Forschung undn nicht von tendenziellen Einträgen im Fragebogen ab. Bei Evaluationen kann die Weiterbeschäftigung des Bewerteten von guten Bewertungen abhängig gemacht werden.

Was machen die Marktforscher besser

Interviewer werden vor dem Einsatz gebrieft. Sie erhalten eine Einführung in den Fragebogen und eine detaillierte Angaben, wie die Qualität und Repräsentativität der Studie sicher gestellt werden kann. Interviewer dürfen die Befragten nicht beeinflussen, aber Fragen erklären. Dazu müssen sie selbst die Fragen beherrschen und umformulieren können.

Einfluss der Gruppenmeinung

Erhält eine Gruppe Fragebögen, um diese zusammen auszufüllen, wird die Meinung der Meinungsführer der Gruppe häufiger auftauchen. Viele Befragte trauen sich dann nicht, ihre eventuell abweichende Meinung aufzuschreiben, oder schwimmen einfach gerne mit der Gruppe.

Beispiel Seminarauswertung: Unzureichende und unverständliche Fragestellung verzerrt die Angaben

Zwei Fehler werden dabei sehr häufig gemacht:
1. Der Fragebogen enthält zu wenig sinnvolle und situationsangepaßte Fragen. So wird in z. B. einem Bogen für 17-jährige Berufsfachschüler nach „Anwendbarkeit des Wissens in der betrieblichen Praxis“ gefragt. Teilweise werden populäre Begriffe wie „strukturiert“ verwendet, die eine starke persönliche Interpretation sowohl des Auswerters als auch des Befragten zulassen. Fragen nach der „fachlichen Kompetenz des Dozenten“ sind meiner Meinung nach nicht exakt. Bei einem betrieblichen Seminar mag die Frage im Sinne, ob sich der Dozent mit den bearbeiteten Prozessen auskennt, zulässig sein. Es wird nicht ausreichend differenziert untersucht, wo der Dozent kompetent oder nicht kompetent ist. Ist er ein genialer Pädagoge, der den Lernprozess der Teilnehmer perfekt unterstützt? Ein
guter Verkäufer, der seinen Teilnehmern ein gutes Gefühl vermittelt, auf ihre Bedürfnisse perfekt eingegangen ist, aber nur kleine inhaltliche Fortschritte machte?

Beispiel Seminarauswertung: Anwesenheit des Dozenten beeinflusst die Eintragungen

2. Der Dozent beeinflußt die Teilnehmer beim Auswerten der Bögen. Die Teilnehmer empfinden das Ausfüllen der Seminarauswertung/dem Feedbackbogen als Beifallsbekundung für den Seminarleiter, und entsprechend positiv fallen die Bewertungen aus. Damit keiner auf falsche Ideen kommt, bleibt der Seminarleiter/Dozent während des Ausfüllens im Raum, und nimmt die ausgefüllten Bögen persönlich entgegen. Das ist Interviewerbias extrem.

Richtig wäre, dass der Dozent den Raum während des Ausfüllens verläßt oder die Beurteilung von zu Hause oder dem Büro aus über das Internet erfolgt. Zuvor erklärt er oder sie den Teilnehmern den Zweck der Umfrage: ein reales Bild vom Seminarablauf aus Teilnehmersicht, keine Dankeshymne an den Dozenten. Die Teilnehmer geben die Fragebögen unbeobachtet und anonym ab, so dass sie ihre Eindrücke unbefangen wiedergeben können. Noch exaktere Ergebnisse enstehen mit einer zusätzlichen Nachbefragung nach ein bis zwei Monaten.

Diese Vorgehensweise stellt zusätzliche Anforderungen an den Schulungsanbieter: nicht unbedingt bringt der Dozent mit den besten Beurteilungen die besten Leistungen, zudem wird es je nach Teilnehmerstruktur Rachebewertungen geben.

Beispiel für einen Fragebogen zur Seminarauswertung

Dieser Fragebogen wurde mit der Software Limesurvey erstellt und kann sowohl mit Papier als auch online verwendet werden, so das Original zur Verfügung steht. Im Zweifelsfall einfach mich fragen.
Ein Beispiel für einen einfachen, aber doch aussagekräftigen Fragebogen für Unterricht ist hier. Kostenlose Anmeldung ist erforderlich.

Kontinuierliche Verbesserung durch Fehlerkultur

Entwicklungschancen nutzen

Problem: Ein Unternehmen will sich verbessern, neue Entwicklungsmöglichkeiten, Gefahren. Schwächen und Chancen entdecken.

Das geht nur über Mitarbeiter, die diese kontinuierliche Verbesserung in ihr eigenes Zielsystem übernommen haben, also eine Fehlerkultur zum Umgang mit Scheitern haben.

Es gibt die kontinuierliche Verbesserung durch Optimierung auf ein bestimmtes Ziel: Kunden wollen den 0-Fehler-Lieferanten, Kursteilnehmer fordern einen Dozenten, der weiß wo es lang geht und auf alle Fragen eine sofortige Antwort parat hat. Zudem werden in vielen Personalentwicklungskonzepten Mitarbeiter, die Fehler machen, schnell als ungeeignet aussortiert.

Entwicklung durch Probieren und Testen

Nur wer ausprobiert, kann sich weiterentwickeln. Wer seinen Prozess gut beherrscht, wird die optimierte Routine bis zur Rente weiter führen. 640px-William_Holman_Hunt_-_The_Scapegoat

Die Rolling Stones verdienen mit ihren teilweise 50 Jahre alten Stücken und dem etwa zur Hälfte immer noch gleichen Personal wie vor 52 Jahren nach wie vor viel Geld. Haben sie aber ihre Prozesse, den Bühnenauftritt, jedoch nicht immer wieder optimiert und das Problem des Älterwerdens kompensiert, um nach so einer langen Zeit noch eine gute Show liefern zu können?

Aus der Landwirtschaft kenne ich den Testacker: da wird Neues ausprobiert und optimiert, bis eine Verbesserung heraus kommt oder auch nicht. Der Landwirt als selbstständiger Unternehmer mit einem ordentlich geführten Betrieb investiert jedes Jahr eine Summe in die Weiterentwicklung – wenn die Versuche schief gehen, wird über die Fehler nachgedacht. Kommuniziert werden die Fehler als Verbesserungsmöglichkeiten – jeder Fehler birgt eine Verbesserungsmöglichkeit. Zudem entscheidet der Landwirt selbst, wer von seinen Experimenten erfährt.

und was hat das mit mir zu tun?

Als selbstständiger Unternehmer garantiere ich für die Qualität der Produkte, die ich verkaufe – ob ich auf dem Weg dahin experimentiert habe, ist für mich und meine Prozesse wichtig. Es gibt keinen Vorgesetzten, der mich womöglich nach der Zahl der gemachten Fehler bewertet oder vor dem ich einen perfekten Eindruck machen muss.

Für Angestellte gilt: als Vorgesetzter setze ich den Rahmen so, dass der Mitarbeiter Fehler machen darf, wenn der den optimalen Prozess und die übergeordneten Ziele im Auge behält. Er soll sogar über seine Fehler und Verbesserungen reden.

An sozialen Institutionen gibt es als besonderes Problem die vielen Anspruchssteller, also Menschen, die ihre Interessen durch die Institution vertreten haben möchten. An einer Schule sind das der Schulträger, privat oder öffentlich, die Aufsichtsbehörde, die Eltern, die Lehrer, die Schüler und die Schulleitung. In diesem Anspruchswirrwarr als Institution aufzutreten, die durch Fehler lernt und sich verbessert, ist schwierig bis unmöglich. Die Mehrzahl der mir bekannten Institutionen agiert aus diesen Gründen lieber in einer Art Wolke aus den gesammelten Erwartungen der Anspruchssteller, die diese wegen ihrem eigenen Qualitätsmanagementsystem, so vorhanden, verwirklicht haben wollen.

Die Wolke der verbal erfüllten Ansprüche und die Realität klaffen bei diesen sozialen Institutionen oft weit auseinander, was vielen Ehrlichkeit und Offenheit gewohnten Mitarbeitern dort Probleme macht. Soziale Institutionen arbeiten mit Menschen, fehlgeschlagene Experiment beeinflussen mehr Menschen als ein Testacker.

E-Mail-Kommunikation und Digital Natives

Die Hype

In der Zeitschrift Wissensmanagement, die sich mit der professionellen Verteilung von konstruktivem Wissen in Unternehmen befasst, wird seit Jahren über die Digital Natives geschrieben. Diese Generation, aufgewachsen mit dem Computer und sozialen Netzwerken, benutze diese zum kommunizieren und sei von den steinzeitlichen Kommunikationsformen wie E-Mail oder Fax angeödet. Zugleich haben die nach 1980 geborenen, so die Theorie, eine andere Informationsverarbeitung im Gehirn. Das erlaubt ihnen, Informationen auf verschiedenen Kanälen gleichzeitig aufzunehmen. Die firmeninterne Kommunikation müsse sich durch neue Software an die veränderte Kommunikation anpassen. Im aktuellen März-Heft beschreibt Frau Professorin Swetlana Franken von der FH Bielefeld die Theorien über die „Digital Natives“ unter dem Titel „Web 2.0 -+ Digital Natives = Kollektive Intelligenz?“. Ihrer Meinung nach kann man mit geeigneter webbasierter Software die gesteigerte Kreativität der Generation Y (=Digital Natives) erst richtig nutzen.

Small Office mit Macintosh Computer. Modernes Arbeiten, gute Ausbildung
Small Office mit Macintosh Computer. Modernes Arbeiten, gute Ausbildung
Frau arbeitet zuhause oder in einem kleinen Büro.

Alles nur herbeigeredet, um Bücher und Software zu verkaufen?

Dass die Theorie der „Digital Natives“ mit ihren anderen Kommunikationsformen und der vermuteten schnellen Auffassungsgabe einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand hält, kann man bei Rolf Schulmeister nachlesen. Auch ältere Leute benutzen soziale Netzwerke und Wikis, jüngere Leute kennen dagegen den den Kampf mit kryptischen Befehlen und MS-Dos, den man noch in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts führte, nur selten.

Wie war es früher eigentlich?

Viele meistens mittlerweile im Ruhestand befindlichen ehemalige Kollegen nervten mich mit handschriftlichen Notizen, die sie in mein Fach legten. Konnten die nicht eine Mail schreiben, die ich von überall her empfangen kann? Die ich später per Desktop Search wieder finden kann? Sie betrachteten es als Vereinfachung, den Schriftverkehr handschriftlich machen zu dürfen. Die Auseinandersetzung mit elektronischer Kommunikation betrachteten sie als überflüssig, die Hype lege sich in ein paar Jahren sicher. Es war ja unter Geschäftsleuten auch mal üblich, per handschriftlich erstelltem Fax zu kommunizieren.

Dann die E-Mail-Ausdrucker – die mir auf die Anfrage nach einer E-Mail bestätigten, dass die Mail ausgedruckt wurde.

Mensch kommuniziert mit den Medien, die seine Umwelt benutzt. In der Welt von A verkehren alle mit Telefon und handschriftlichen Notizen, so macht A das auch. J dagegen, dessen Kommunikationspartner alle Facebook, Xing oder zumindest E-Mail haben, wird sich selbst ein Facebook-Konto und eine E-Mail-Adresse zulegen und die sozialen Medien auch selbst nutzen. Jetzt treten die Welten in Kontakt: es gibt einen Kulturkampf. J hat keinen Bock auf die Zettelwirtschaft, A will sich keine E-Mail-Adresse zu legen. Wozu denn, nur wegen J? Der soll sich gefälligst anpassen.

Die Erweiterung der Kommunikation mit digitalen Medien ist in der heutigen Welt seit etwa 3 Jahren (für Deutschland) Standard. A aus dem vorherigen Absatz ist im Ruhestand und hat dort selbst zu den Medien gefunden, gegen die er oder sie sich im Berufsleben noch gewehrt haben.

Digital Natives sind nicht das einzige Argument für bessere Software

Die Digital Natives, die Erweiterung der Kommunikation um soziale Medien, wird als als Verkaufsargument für Unternehmensberatung und Software durch die Medien gezogen.

Die E-Mail-Flut ist zum Monster geworden. Ursache ist unzureichende Filterfunktionen marktführender Software des Herstellers Microsoft und fehlende Kenntnis der Filterfunktionen bei vielen Bedienern.

Ich benutze aus diesem Grund mehrere E-Mail-Konten, zwei für die wichtige Mail, zwei für Newsletter, Anmeldebestätigungen undsoweiter. Anders als von den Digital-Native-Gurus vorhergesagt habe ich nicht alle Kommunikation in soziale Netzwerke verlagert. Ich finde diese eher unpraktisch, weil ich nicht in mehreren Netzwerken gleichzeitig präsent sein möchte. Alle Kommunikation, auch Telefonmailbox, in der E-Mail: so muss ich nur einen Posteingang überwachen. Als Digital Immigrant habe ich ein fast papierloses Büro.

Definieren wir die „Digital Natives“ als Mythos, der im Verkauf eingesetzt werden kann. Der Verkäufer spricht im Kundengespräch einen Mythos an, und beim potentiellen Kunden beginnt das Gehirn zu arbeiten. Es schafft Assoziationen, die Information bleibt hängen. Bei der Diskussion um die „Digital Natives“ geht es auch um die eigene Befangenheit gegenüber der elektronischen Welt.

Steve Jobs ist übrigens 1956 geboren, und hat noch als Endvierziger die Einführung der Smartphones vorangetrieben.