Selbstlernkompetenz und Erfahrung

Wie gelingt es manchen Menschen, lebenslang zu lernen? Prominente Beispiele dafür gibt es viele. Warum begnügen sich andere mit der langen Wiederholung einmal gelernter Prozesse? Generell ist es ein statisches Weltbild, wenn durch Fortschreiben von Altbewährtem die Zukunft vorhergesagt werden soll. Warum ohne Lernkompetenz und Lernwillen der Person die über Prozesswiederholung gewonnene Erfahrung an Wert verliert, finden Sie mitsamt Belegen im folgenden Text. Die Ich-Entwicklungsstufen nach Jane Loevinger sind ein Beispiel, wie Selbstlernkompetenz und Erfahrung zusammen der persönlichen Weiterentwicklung beitragen

Auf dem beliebten Jobmarkt haben Bewerber Vorteile, die die ausgeschriebene oder angedachte Position schon kennen und bereits in anderen Unternehmen diesen oder jenen Erfolg vorweisen können. Er oder sie konnte es vorher, es wird nochmal klappen. Es gibt Geschäftsführer und Entrepreneure, die auf lernwilligen und schlauen neue Mitarbeitern gerne mit weniger Referenzen setzen und gute Ergebnisse erzielen. Die Lernwilligen erkennen neue Situationen besser und erwarten Veränderungen.

Braucht man lebenslanges Lernen und geht das überhaupt?  Es gibt psychologische Tests, mit denen Lernerfahrung und Risikofreude verglichen werden können. In qualitativen Studien spielt die Unternehmenskultur, das Team in dem Mensch tätig wird, eine große Rolle. Kann der unerfahrene, lernwillige Neuling punkten oder muss es spezieller Kandidat sein, der zu den anderen Menschen im Betrieb passt?

Ist Erfahrung alles?

Claudio Fernández-Aráoz, ein bekannter Autor und Personalberater bei Egon Zehnder schreibt über „Wie Sie Talente erkennen“. Er schlägt vor, dass sich Personalmanager bei der Auswahl anstelle auf die Kompetenzen auf das Potenzial der Kandidaten konzentrieren. Darunter versteht er die Fähigkeit, sich auf immer neue, komplizierte Aufgaben hinein zu versetzen und sich so auf ein Umfeld einzustellen, das ständigem Wandel unterliegt.

Vernichtet das Alter die Selbstlernkompetenz?

Ja und nein. Es gibt viele Studien, die die Fähigkeiten älterer Menschen zum Lernen belegen. Und es gibt andere Studien, die zeigen dass das Gehirn mit dem Alter schwerfälliger wird. Dies lässt sich per Hirnstrom- und Reaktionsmessungen belegen. Andere Studien sagen: es liegt am Individuum. Manche erklären ihre persönliche Entwicklung schon mit 40 für abgeschlossen und verweigern jede neue Lernerfahrung, andere dagegen wünschen noch mit 70 oder später neue Erfahrungen und möchten lernen.

Sich an der Vergangenheit orientieren ist nicht immer gut

Laut Fernandez-Araoz sagt der Nachweis von in der Vergangenheit gelösten anspruchsvollen Aufgaben gelöst zu haben sage nur bedingt etwas über die Fähigkeit aus, neue Aufgaben in der Zukunft erfolgreich zu lösen. Die Erfahrung kann in viel zu eingefahrene Wege locken.

Personalmanager neigen dazu, die Stellen mit Menschen zu besetzen, die in der Vergangenheit ähnliche Aufgaben schon mal gelöst haben. Im Falle des Scheiterns ist der Personaler so abgesichert – er kann auf die gute Qualifikation des Bewerbers hinweisen. Die Bewerberauswahl nach Kompetenz stellt damit viel höhere Anforderungen an die Verantwortlichen. Kompetenz messen ist nicht einfach und setzt voraus, dass der Prüfer die wichtigen Fertigkeiten des Bewerbers kennt.

Was sagen Zeugnisse aus?

Auch Lehrer und Prüfungen haben hier Grenzen. Abschlusstests zeigen lediglich, inwieweit der Kandidat die Lernziele erreicht hat. Gute Prüfungsergebnisse sind für den Kandidaten mit Arbeit verbunden. Deshalb haben zwei Gruppen die besten Ergebnisse: diejenigen ohne direkte Perspektive, die einfach Bestätigung über Noten suchen, und als zweite Gruppe Menschen, die jede von Autoritäten gegebene Aufgabe sehr gut erfüllen wollen, um die Auszeichnung zu erhalten. Diese werden auch „Insecure Overachievers“ genannt. Erfahrungen aus der Berufsausbildung zeigen, dass Absolventen mit mittleren Noten der Berufseinstieg genauso gut gelingt wie denen mit Bestnoten. Manche Menschen können wichtig und unwichtig trennen und haben realistische Ziele, andere nicht.[1]

Bei denen wirken Selbstlernkompetenz und Erfahrung zusammen.

Fernandez-Araoz schreibt: suchen Sie nach „Motivation, Neugier, Scharfblick, Engagement und Entschlossenheit“. Eine Herausforderung für Testpsychologen. Bereits in der Ausbildung lassen sich solche Menschen identifizieren. Es sind jedoch nicht unbedingt diejenigen, die die besten Noten erhalten – insbesondere dann, wenn die Noten sich auf auswendig gelerntes Wissen beziehen. Dies begrenzt Aussagekraft von Schulzeugnissen über Kompetenzen. Motivation, Neugier, Engagement und Entschlossenheit sind Teilaspekte der Selbstlernkompetenz.

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Siehe auch Blog-Beitrag von Svenja Hofert über „unsichere Leistungsmenschen“. Natürlich könnte es auch alles anders herum sein und die mittelmäßigen Absolventen von Universitäten werten sich mit Texten über „Insecure Overachievers“ nur auf.

E-Mail-Kommunikation und Digital Natives

Die Hype

In der Zeitschrift Wissensmanagement, die sich mit der professionellen Verteilung von konstruktivem Wissen in Unternehmen befasst, wird seit Jahren über die Digital Natives geschrieben. Diese Generation, aufgewachsen mit dem Computer und sozialen Netzwerken, benutze diese zum kommunizieren und sei von den steinzeitlichen Kommunikationsformen wie E-Mail oder Fax angeödet. Zugleich haben die nach 1980 geborenen, so die Theorie, eine andere Informationsverarbeitung im Gehirn. Das erlaubt ihnen, Informationen auf verschiedenen Kanälen gleichzeitig aufzunehmen. Die firmeninterne Kommunikation müsse sich durch neue Software an die veränderte Kommunikation anpassen. Im aktuellen März-Heft beschreibt Frau Professorin Swetlana Franken von der FH Bielefeld die Theorien über die „Digital Natives“ unter dem Titel „Web 2.0 -+ Digital Natives = Kollektive Intelligenz?“. Ihrer Meinung nach kann man mit geeigneter webbasierter Software die gesteigerte Kreativität der Generation Y (=Digital Natives) erst richtig nutzen.

Small Office mit Macintosh Computer. Modernes Arbeiten, gute Ausbildung
Small Office mit Macintosh Computer. Modernes Arbeiten, gute Ausbildung
Frau arbeitet zuhause oder in einem kleinen Büro.

Alles nur herbeigeredet, um Bücher und Software zu verkaufen?

Dass die Theorie der „Digital Natives“ mit ihren anderen Kommunikationsformen und der vermuteten schnellen Auffassungsgabe einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand hält, kann man bei Rolf Schulmeister nachlesen. Auch ältere Leute benutzen soziale Netzwerke und Wikis, jüngere Leute kennen dagegen den den Kampf mit kryptischen Befehlen und MS-Dos, den man noch in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts führte, nur selten.

Wie war es früher eigentlich?

Viele meistens mittlerweile im Ruhestand befindlichen ehemalige Kollegen nervten mich mit handschriftlichen Notizen, die sie in mein Fach legten. Konnten die nicht eine Mail schreiben, die ich von überall her empfangen kann? Die ich später per Desktop Search wieder finden kann? Sie betrachteten es als Vereinfachung, den Schriftverkehr handschriftlich machen zu dürfen. Die Auseinandersetzung mit elektronischer Kommunikation betrachteten sie als überflüssig, die Hype lege sich in ein paar Jahren sicher. Es war ja unter Geschäftsleuten auch mal üblich, per handschriftlich erstelltem Fax zu kommunizieren.

Dann die E-Mail-Ausdrucker – die mir auf die Anfrage nach einer E-Mail bestätigten, dass die Mail ausgedruckt wurde.

Mensch kommuniziert mit den Medien, die seine Umwelt benutzt. In der Welt von A verkehren alle mit Telefon und handschriftlichen Notizen, so macht A das auch. J dagegen, dessen Kommunikationspartner alle Facebook, Xing oder zumindest E-Mail haben, wird sich selbst ein Facebook-Konto und eine E-Mail-Adresse zulegen und die sozialen Medien auch selbst nutzen. Jetzt treten die Welten in Kontakt: es gibt einen Kulturkampf. J hat keinen Bock auf die Zettelwirtschaft, A will sich keine E-Mail-Adresse zu legen. Wozu denn, nur wegen J? Der soll sich gefälligst anpassen.

Die Erweiterung der Kommunikation mit digitalen Medien ist in der heutigen Welt seit etwa 3 Jahren (für Deutschland) Standard. A aus dem vorherigen Absatz ist im Ruhestand und hat dort selbst zu den Medien gefunden, gegen die er oder sie sich im Berufsleben noch gewehrt haben.

Digital Natives sind nicht das einzige Argument für bessere Software

Die Digital Natives, die Erweiterung der Kommunikation um soziale Medien, wird als als Verkaufsargument für Unternehmensberatung und Software durch die Medien gezogen.

Die E-Mail-Flut ist zum Monster geworden. Ursache ist unzureichende Filterfunktionen marktführender Software des Herstellers Microsoft und fehlende Kenntnis der Filterfunktionen bei vielen Bedienern.

Ich benutze aus diesem Grund mehrere E-Mail-Konten, zwei für die wichtige Mail, zwei für Newsletter, Anmeldebestätigungen undsoweiter. Anders als von den Digital-Native-Gurus vorhergesagt habe ich nicht alle Kommunikation in soziale Netzwerke verlagert. Ich finde diese eher unpraktisch, weil ich nicht in mehreren Netzwerken gleichzeitig präsent sein möchte. Alle Kommunikation, auch Telefonmailbox, in der E-Mail: so muss ich nur einen Posteingang überwachen. Als Digital Immigrant habe ich ein fast papierloses Büro.

Definieren wir die „Digital Natives“ als Mythos, der im Verkauf eingesetzt werden kann. Der Verkäufer spricht im Kundengespräch einen Mythos an, und beim potentiellen Kunden beginnt das Gehirn zu arbeiten. Es schafft Assoziationen, die Information bleibt hängen. Bei der Diskussion um die „Digital Natives“ geht es auch um die eigene Befangenheit gegenüber der elektronischen Welt.

Steve Jobs ist übrigens 1956 geboren, und hat noch als Endvierziger die Einführung der Smartphones vorangetrieben.